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Was passiert eigentlich hinter verschlossenen Türen auf den Vorstandsetagen grosser Unternehmen? Wie geht man dort miteinander um? Und sind die Herren und Frauen Manager wirklich schlauer als der Rest der Belegschaft? Niemand kennt die Antwort, denn Niemand ist Assistent der Geschäftsführung. Nur wissen wir nicht, was an seinen Darstellungen der Dinge, die da hinter den Türen passieren, real ist und was er vielleicht nur träumt. Lassen Sie sich überraschen.

Hörprobe mit Peter Beeler


Leseprobe

Fronteinsatz

Gross, der LKW Fahrer, packt zur Begrüssung mit seiner schwieligen Pranke Zieges rechte Hand und schüttelt sie so heftig, dass der schmächtige Mann vor Schmerz hätte schreien können. Doch heute heisst es die Zähne zusammen zu beissen. Es war nämlich seine Idee, die Geschäftsleitungsmitglieder mit der Front bekannt zu machen. Unter dem Motto: "Näher zur Basis" haben sich die Seminarteilnehmer verpflichtet, einen ganzen Tag lang draussen zu schuften. Ziege will trotz schmerzender Hüftarthrose und tausend anderen Wehwehchen als Beifahrer seinen Frondienst leisten. Mit Gross wurde ihm ein Chauffeur mit bald dreissig Dienstjahren auf dem Buckel zugeteilt.

Gross hat es faustdick hinter den Ohren. Der kleine, kugelrunde, kräftige Mann mit Vollglatze und listigen Äugelein, ist stolz auf seinen Beruf. Er gilt als Sprachrohr der Chauffeure und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, für seinen Stand einzustehen.

Ziege ist bereits um vier Uhr aufgestanden und hat aus lauter Nervosität keinen Bissen herunter gebracht. Seine Anneliese hat sich bekreuzigt und ein Stossgebet zum Himmel gesandt, als ihr Herr Gemahl bereits um halb fünf in einem blauen, viel zu grossen Overall, das Haus verlässt.

"Schau gut zu dir, Emil", hat sie ihm zugerufen. "Hab Acht auf dein angeschlagenes Herz und deine lädierten Hüfte. Ich habe dir als Zwischenverpflegung ein Müsli eingepackt. In der Thermosflasche ist heisser Tee mit viel Zucker. Der wird dir zusätzliche Energie verleihen. Wenn du es mit dem Herzen hast, nimm eine Pille. Sie liegen in der blauen Dose ganz unten im Rucksack. Kontrolliere deine Pulsfrequenz und ab und zu den Blutdruck. Das Gerät ist aussen in der Rucksacktasche. Du weisst - ab 200 wird's gefährlich!"

"Schon gut", murmelt Personalchef Ziege geistesabwesend. Dann steigt er in seinen kleinen, beigen Ford. Er kommt sich vor wie ein Kamikaze vor dem letzten Auftrag. Im Geiste sieht er, wie er unter einer schweren Last zusammenbricht und mit Blaulicht ins nächste Spital gekarrt wird. Warum hat er sich nicht krankschreiben lassen? Warum ist ausgerechnet er auf die Idee gekommen, einen Fronteinsatz zu leisten? Doch jetzt kann er nicht mehr zurück. Er muss den harten Hund spielen. Wehe, wenn er nicht durchhalten sollte. Er würde zum Gespött der ganzen Firma.

Nach einigen Minuten Fahrt hält er seinen Kleinwagen vor dem Logistikcenter an. Es ist bereits taghell beleuchtet, während es drum herum noch stockdunkel ist. Ziege atmet tief durch, bevor er das Verteilzentrum betritt. Hier wird bereits emsig gearbeitet. Es geht zu und her wie in einem Bienenhaus. Unzählige Gabelstapler verkehren zwischen in den Gängen. Lagerarbeiter in blauen Arbeitsuniformen laden hastig Karton um Karton auf ihr Elektromobil. Ziege kriegt schon vom Zuschauen her Rückenschmerzen.

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